Dienstag, 24. Juni 2014

Knochendichte

Diagnose: Osteoporosis
Patient: das Leben
...---...---...---...---...

mir scheint die knochen
meines daseins werden
von tag zu tag poröser

als der krebs mir die
schwester holte, hatten
die termiten des lebens

ihren ersten auftritt
doch ich hielt sie für ameisen
und streifte sie ab

als sie sich durch vaters
herz und aorta fraßen
nisteten sie auch in meiner

brust — die lungen wollten
sich nicht füllen und auch der
 magen verweigerte sich

heute, fünf und vier sommer
später haben sich die termiten
durch mein lebensskelett

gefressen. dieses jahr scheint
ihr erster klimax zu sein.  nach
der hüfte, die im januar zerbarst,

und den sicheren gang
 mit sich nahm, nagen sie
nun am brustbein, drücken ihr

nest erneut auf lunge und magen
krümmen das kreuz, knicken
das haupt, das dem befehl

erheb dich schon lange
nicht gehorcht. es knirscht in
den knochen des lebens

...---...---...---...---...

welchen  kammerjäger soll ich rufen?



©beatrix brockman


Bone Density



Diagnosis: Osteoporosis
Patient: Life

It seems that the bones of my existence lose more and more of their density.

When cancer took my sister, the termites of life hogged the stage for the first time, but I thought they were ants and shook them off.  When they ate their way through my father’s heart and aorta, they also built a nest in my chest.  Lung capacity decreased to a five-buck oxygen filling, the stomach refused admittance to anything but crumbs.

Today, five and four summers later, the termites have eaten their way through the skeleton of my life. After breaking its hip, forcing future steps into insecurity, they seem to have reached their first climax this year.  Now they are chewing on the inside of life’s sternum, building a nest through lungs and lining of the stomach, bend the spine, lower life’s head – which has not listened to “Chin Up” in eons anyway.

…they creak, the bones of my life, I wonder which termite treatment might be appropriate.


©beatrix brockman

Montag, 16. Juni 2014

trauer: memento mori

und sie bricht aus deiner brust
wie ein vulkan, wälzt sich
über lippen während tränen
heiße lava weder kühlen noch
ihr einhalt bieten können

siehst du gräber, wünscht dir
arme dich noch einmal zu um
schließen, rufst du namen in
das nichts; keine geste, ist
kein echo. ihre antwort hörst

du nicht. schreist du, schluchzt
du dich durch leere räume —
noch nicht fertig mit den letzten,
die so oft sich schon gejährt, und
voll angst vor denen, die die zeit

schon kündet, auch wenn der
alltag sie verdrängen mag



©beatrix brockman

Dienstag, 3. Juni 2014

Worte zu Asche

wieder schulterst 
du
dämonen

kaum gelingt 
dir 
ein lächeln 

raunen sie

nicht gut genug
nicht schön genug
nicht dünn genug

konstant hast
 du
acht auf worte

sagen darfst du sie nicht
denken willst du sie nicht 
doch sie brennen

brennen 
so lange auf der seele
bis

du ihre asche 
in eine metapher gießt
und sie sprichst 

laut und deutlich 
und 
unverständlich

für die adressaten

© beatrix brockman